Digitale HandlungsproduktePortfolios, Lesetagebücher und Handouts – digital statt analog?Teil der Serie: Digitalität im Referendariat
Aus dem Tagebuch eines Schülers (fiktiv)
28.06.2022
Liebes Tagebuch,
heute hat unsere Deutschlehrerin Frau Qasim gesagt, wir sollen zu unserer Lektüre ein Lesetagebuch anfertigen. Auch wenn ich gerne Tagebuch für mich schreibe, so wird mir jetzt schon angst und bang, wenn ich daran denke, jedes Kapitel schriftlich festhalten und auch noch kreativ gestalten zu müssen. Mein Schriftbild gleicht laut meinen Lehrern den antiken Hieroglyphen und meine Kreativität … naja: das Haus des Nikolaus bekomme ich gerade noch hin. Vielleicht spreche ich sie mal auf Alternativen an.
30.06.2022
Liebes Tagebuch,
heute habe ich Frau Qasim vor der Deutschstunde angesprochen und meine Bedenken geäußert. Sie hat uns dann eine coole Idee vorgestellt: ein digitales Lesetagebuch. Ich denke, damit könnte es funktionieren.
Vom blutjungen Referendar (dazu zähle ich mich trotz meiner 31 Jahre noch) bis zum staubigen Senior-Lehrer (sorry), ob Deutschkollege oder Biolehrerin. Jeder kennt sie: Die Schülerinnen und Schüler, deren Schrift man nicht lesen kann und diejenigen, die Schwierigkeiten mit der kreativen Umsetzung haben. Die Frage, wie sich diese Situation für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler erleichtern lässt, ist relativ leicht zu beantworten: Mit digitalen Handlungsprodukten.
Dabei spielt es keine Rolle, um welche Art von Handlungsprodukt es geht: Die digitale Umsetzung eignet sich sowohl für Projektpräsentationen als auch Lesetagebücher, Projektschulaufgaben und Portfolios für Referate. Die Vorteile überwiegen klar gegenüber den Herausforderungen, weshalb ich damit auch nicht länger hinter dem Berg halte:
Die Vorteile von digitalen Handlungsprodukten:
- Es gibt inzwischen zahlreiche (oft kostenfreie) Möglichkeiten, digitale Unterrichtsprodukte zu erstellen (z. B. Book-Creator, Microsoft Word, PowerPoint).
- Das Schriftbild spielt keine Rolle, die Inhalte sind immer lesbar.
- Rechtschreib- und Grammatikfehler lassen sich durch integrierte Verbesserungsprogramme vermeiden.
- Ausbesserungen sind kein Problem. Einfach löschen und neu verfassen.
- Farbpaletten und der Einsatz von passenden Formen, Stickern, Gifs oder Memes bieten auch für unkreative Schülerinnen und Schüler zahlreiche Möglichkeiten zur individuellen Gestaltung.
- Die Umsetzung erfolgt zügiger. Tippen geht oft schneller als schreiben.
Ich will euch aber auch die Herausforderungen nicht vorenthalten, weshalb ich sie genauso aufliste, jedoch gleich mögliche Vermeidungsstrategien mit benenne:
- Die Gefahr von Plagiaten durch einfaches Copy/Paste ist hoch.
Empfehlung: Die Schülerinnen und Schüler klar darauf hinweisen, dass auf Plagiat geprüft wird und im zutreffenden Fall die Prüfung als nicht bestanden gilt. - Die Schülerinnen und Schüler leisten nur die Mindestanforderung.
Empfehlung: Bewertungskriterien klar formulieren, den Entstehungsprozess (altersstufengemäß) begleiten. - Die individuelle Schreibentwicklung wird vernachlässigt.
Antwort: Nein, das passiert nicht. Wenn eines (!) von vielen Handlungsprodukten digital umgesetzt wird, nimmt man den Schülerinnen und Schülern höchstens eine weitere Übung zur Verbesserung, aber eine Verschlechterung des Schriftbildes wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfolgen. Auch in digitale Produkte können handschriftliche Texte, Bilder etc. (als Scan) integriert werden.
Bestimmte Faktoren sollten außerdem berücksichtigt werden:
- 1 Klassendynamik: Würde die Klasse digital genauso konsequent arbeiten wie analog? Eignen sich die Jahrgangsstufe oder das Fach für das digitale Vorhaben?
- 2 Digitale Ausstattung: Sind die Schülerinnen und Schüler allesamt privat digital ausreichend genug ausgestattet, um auch zu Hause das Arbeiten zu gewährleisten?
- 3 Bewertungstransparenz: Sind die Bewertungskriterien im Vorfeld bekannt und nachvollziehbar?
Klar kann man sich nun denken: „Muss eigentlich alles digital sein? Ist immer ein Mehrwert vorhanden?“ Ich handle nach dem Prinzip: Alles kann, nichts muss. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass bestimmte Unterrichtsphasen (z. B. der Lektüreunterricht) sich hervorragend dafür eignen, Analogität und Digitalität zu vereinen. Deshalb: Give it a try!
Aylin Qasim
Aylin Qasim unterrichtet Deutsch und Geschichte an einer Münchner Realschule und berichtet regelmäßig über ihre Eindrücke und Erfahrungen aus dem Lehrerinnenalltag.