Digitaler WandelDSDZ ... oder DSDS?
Letztens hatte ich meinen ersten Auftritt in einem Arbeitskreis des ISB (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung), der ausschließlich aus eloquenten Experten und Expertinnen besteht – und mir. Schon allein das war Grund genug für große Nervosität meinerseits. Und dann sollte ich auch noch meine eigenen Fähigkeiten und Erfahrungen präsentieren. Damit ihr euch besser reinfühlen könnt: Stellt euch eine Runde bestehend aus den besten Köpfen des Silicon Valleys (Bill Gates, Mark Zuckerberg und andere brillante Tech-Experten) vor – und mitten unter ihnen ich. Ein absoluter Rookie. Ohne Zweifel talentiert, aber dennoch blutige Anfängerin. Als der Moment gekommen war, mich vorzustellen, war ich gespannt wie eine Gitarrensaite kurz vorm Reißen. Zu meiner eigenen Überraschung schlug ich mich souveräner als gedacht – bis zu dem Moment, als ich die „Digitale Schule der Zukunft“ (dSdZ) mit DSDS (Deutschland sucht den Superstar) verwechselte, was natürlich für schmunzelnde Gesichter sorgte. Besonders peinlich, weil ich selbst Teil des dSdZ-Teams an unserer Schule bin. Vier Buchstaben und ich habe sie versemmelt. Danke, Dieter Bohlen.
Okay, zugegeben, so schlimm war es nun auch wieder nicht. Der Begriff ist schließlich noch relativ neu und trägt eine große Bedeutung. Ich möchte in diesem Beitrag keine Informationen wiederholen, die ohnehin auf der Homepage oder im Praxisleitfaden nachzulesen sind. Was mir wichtig ist, sind die Veränderungen, die sich daraus ergeben. Denn wir stehen vor einem Wandel, der unseren Unterricht langfristig prägen wird. Die digitale Transformation wird in den nächsten Jahren nicht nur unsere Schulen, sondern auch unsere Art zu lehren und zu lernen tiefgreifend verändern. Besonders in drei Bereichen sehe ich Veränderungen: in der Unterrichtsvorbereitung, im Unterricht selbst und in der Interaktion zwischen Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern.
- 1 Unterrichtsvorbereitung – Flexibilität und Ressourcenvielfalt: Die Einführung von Tablets für jede Schülerin und jeden Schüler verändert die Unterrichtsvorbereitung grundlegend. Statt sich auf klassische Arbeitsblätter, Lehrbücher und Overhead-Projektoren zu verlassen, haben Lehrkräfte nun die Möglichkeit, digitale Lerninhalte direkt in ihre Planung zu integrieren. Interaktive E-Books, Apps und digitale Lernplattformen wie mebis ermöglichen es, maßgeschneiderte Unterrichtsmaterialien zu entwickeln, die direkt auf den Tablets der Schülerinnen und Schüler abrufbar sind. Dies bietet eine unglaubliche Flexibilität: Lehrkräfte können ihre Materialien ständig aktualisieren und anpassen, ohne dass sie alles ausdrucken oder kopieren müssen. Gleichzeitig erweitert sich das Spektrum der Ressourcen enorm. Lehrkräfte können auf eine Vielzahl von digitalen Tools zugreifen – von interaktiven Übungen über Erklärvideos bis hin zu Virtual-Reality-Erfahrungen. Die Herausforderung besteht darin, all diese Möglichkeiten effizient zu nutzen, ohne dabei den Überblick zu verlieren.
- 2 Unterricht – von passiven Zuhörenden zu aktiven Lernenden: Mit der 1:1-Ausstattung verändert sich auch der Unterricht. Statt vor einer Klasse passiver Zuhörerinnen und Zuhörer zu stehen, haben Lehrkräfte nun in noch größerem Maße die Chance, die Schülerinnen und Schüler zu aktiven Lernenden zu machen. Jedes Kind kann direkt auf dem eigenen Gerät an interaktiven Übungen teilnehmen, in Echtzeit Antworten geben oder an digitalen Projekten arbeiten. Der Frontalunterricht weicht einem dynamischeren, individualisierten Lernen. Statt nach dem klassischen Prinzip „eine Lehrkraft, eine Tafel, eine Klasse“ zu arbeiten, können Schülerinnen und Schüler in Gruppen oder individuell Aufgaben auf ihren Tablets bearbeiten, während die Lehrkraft als Coach durch den Raum geht und bei Bedarf Unterstützung bietet. Das Schülergerät ermöglicht es außerdem, Lerninhalte multimedial zu gestalten: Erklärvideos, Simulationen und interaktive Karten bringen nicht nur Abwechslung, sondern fördern auch das tiefere Verständnis der Schülerinnen und Schüler. Die Herausforderung dabei? Nicht alle Schülerinnen und Schüler arbeiten im gleichen Tempo oder auf die gleiche Art und Weise. Das erfordert von Lehrkräften noch mehr Flexibilität und die Fähigkeit, verschiedene Lernwege gleichzeitig zu unterstützen.
- 3 Lehrer-Schüler-Interaktion – neue Formen der Zusammenarbeit: Durch die Tablets entsteht auch eine neue Art der Interaktion zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern. Digitale Plattformen wie die Bayern Cloud Schule bieten Möglichkeiten, Aufgaben zu verteilen, Feedback zu geben und den Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler zu überwachen – und das alles in Echtzeit. Das erleichtert nicht nur die Kommunikation, sondern ermöglicht auch eine engere Begleitung der Schülerinnen und Schüler, insbesondere in Phasen des selbstgesteuerten Lernens. Was besonders spannend ist: Die Lehrer-Schüler-Interaktion wird durch die digitale Infrastruktur nicht nur auf den Unterricht beschränkt. Die Kinder und Jugendlichen können jederzeit Fragen stellen, Materialien hochladen oder Unterstützung anfordern – auch außerhalb der regulären Schulzeiten. Dies schafft eine neue Form der Lernbegleitung, in der Lehrkräfte als Mentorinnen und Mentoren fungieren und Schülerinnen und Schülern helfen, eigenständig zu arbeiten, ohne sie dabei allein zu lassen. Die Tablets fördern zudem die Zusammenarbeit innerhalb der Klasse. Die Lernenden können sich in Echtzeit über Plattformen austauschen, an gemeinsamen Projekten arbeiten oder sich gegenseitig Feedback geben. Doch auch hier gibt es Herausforderungen: Wie wahrt man die Balance zwischen digitaler Erreichbarkeit und persönlicher Distanz? Und wie verhindert man, dass die Schülerinnen und Schüler in der digitalen Welt den Kontakt zu analogen, zwischenmenschlichen Interaktionen verlieren?
Betrachtet das Projekt wie ein Casting (DSDS-Referenz again)
Stellt euch vor, die flächendeckende Einführung von Tablets im Rahmen der „Digitalen Schule der Zukunft“ ist wie der Start einer neuen Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“. Die Bühne ist vorbereitet, das Equipment bereitgestellt, die Kameras laufen – aber das allein macht noch keinen Superstar.
Die 1:1-Ausstattung der Schülerinnen und Schüler mit Tablets ist der erste Schritt, wie das Vorsingen bei DSDS. Aber genau wie bei einem Talentwettbewerb kommt es jetzt darauf an, wer diese Chance richtig nutzt. Die Lehrkräfte sind gleichzeitig Mitglieder der Jury und Coaches – sie müssen sich stetig weiterentwickeln, neue Methoden ausprobieren und evaluieren, so dass die Technologien sinnvoll eingesetzt werden. Sie können zwar das Potenzial der Schülerinnen und Schüler fördern, aber auch sie müssen lernen, mit dem neuen Equipment umzugehen. Die Schülerinnen und Schüler wiederum sind die Kandidatinnen und Kandidaten, die ihr Talent auf die Bühne bringen. Sie müssen lernen, die digitalen Werkzeuge verantwortungsvoll zu nutzen – genau wie die angehenden Superstars, die lernen müssen, mit Ruhm und Rampenlicht umzugehen, ohne sich in der Flut der Möglichkeiten zu verlieren. Wie beim Casting geht es nicht darum, wer das beste Equipment hat, sondern wer es am besten nutzt.
Und schließlich müssen wir alle – Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und Eltern – dafür sorgen, dass die Digitalisierung nicht nur eine Show wird. Es geht nicht darum, einfach nur „mitzuspielen“, sondern darum, eine nachhaltige Veränderung in der Bildung zu erreichen. Unser gemeinsames Ziel bleibt, unseren Kindern und Jugendlichen die bestmögliche Bildung zu bieten – in einer Welt, die sich so schnell wandelt wie die Showbiz-Welt bei DSDS.
Aylin Qasim
Aylin Qasim unterrichtet Deutsch und Geschichte an einer Münchner Realschule und berichtet regelmäßig über ihre Eindrücke und Erfahrungen aus dem Lehrerinnenalltag.