Inklusion und EngagementSeit 20 Jahren unterwegs: Die Sternsinger der Elisabethschule Aichach
Seit Januar 2004 findet bei uns an der Aichacher Elisabethschule, einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, jeweils nach den Weihnachtsferien die Sternsingeraktion statt. Aus unseren Schülerinnen und Schülern sowie den Kindern aus unserer Schulvorbereitenden Einrichtung (SVE) werden Sternsinger, die die Segenswünsche für das jeweils neue Jahr persönlich weitergeben. In enger Zusammenarbeit mit dem Kindermissionswerk der katholischen Kirche, das die jährliche Sternsingeraktion der Kirche organisiert, bitten wir um eine Geldspende für Projekte, die sich speziell für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen einsetzen.
Die Vorbereitungsphase
Auf die Elisabethschule gehen knapp 140 Schülerinnen und Schüler sowie 30 SVE-Kinder. Jedes Jahr im Dezember frage ich nach, welche Schülerin, welcher Schüler oder welches SVE-Vorschulkind im Januar bei unserer Sternsinger-Aktion mitmachen möchte. Die Nachfrage ist groß: Jährlich beteiligen sich ca. 70 Schülerinnen und Schüler sowie SVE-Kinder! Auch aus den jeweiligen Partnerschulen machen Schülerinnen und Schüler mit Begeisterung mit. Sternsinger werden kann jede und jeder unserer Schülerschaft sowie jedes SVE-Kind. Ausschlaggebend für die Teilnahme ist nicht die Religion und Konfession, sondern die Begeisterung des einzelnen Kinds.
Vorschläge, welche Projekte wir unterstützen könnten, bekommen wir vom Kindermissionswerk aus Aachen. Nachdem wir uns für ein Projekt entschieden haben, werden passende Informationen zusammengefasst, mit Bildern versehen und in einem Informationsschreiben für die Eltern, Partnerschulen und weitere Beteiligte zusammengeführt. Damit dann im Januar unsere Schülerinnen und Schüler sowie SVE-Kinder ihre „königlichen Gewänder“ anziehen und ihre Sternsinger-Utensilien (z. B. Sterne, Weihrauchfässer, Spendendosen) tragen können, ist es für uns ein großer Glücksfall, dass eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen der Elisabethschule Aichach und der Katholischen Pfarrgemeinde Aichach besteht. Denn dadurch können wir uns jedes Jahr die Gewänder und Utensilien einfach aus der Pfarrgemeinde ausleihen.
Die Nachfrage nach unseren Sternsingern ist groß
Unsere Sternsinger sind in den Klassen und Gruppen unserer Schule und weiteren Einrichtungen der Lebenshilfe Aichach-Friedberg, in den Klassen und Gruppen unseren Partnerschulen, in den Pfarrbüros der katholischen und evangelischen Kirche Aichach sowie beim Aichacher Bürgermeister und dem Landrat des Landkreises Aichach-Friedberg unterwegs. Im Laufe der Jahre kamen viele weitere „Einsatzorte“ dazu – so zum Beispiel das Präsidium und die Mitarbeitenden bei der Regierung von Schwaben oder auch Kardinal Marx in München.
Im Rahmen der Preisübergabe des Werte-Preises an unsere Schülerschaft und unsere Mitarbeitenden im Jahr 2013 erfuhr der damalige Kultusminister Bernd Sibler von unserer Sternsingeraktion und lud uns ein, im Januar 2014 in das Bayerische Kultusministerium nach München zu kommen. Sein Nachfolger Prof. Dr. Michael Piazolo und die aktuelle Kultusministerin Anna Stolz hielten und halten an dieser Tradition fest und laden die Sternsinger jedes Jahr in das Kultusministerium ein.
Jedes Jahr werden wir außerdem von der Landtagspräsidentin in den Bayerischen Landtag nach München eingeladen. Dort dürfen die Sternsinger den Mitgliedern des Präsidiums des Bayerischen Landtages, einigen Abgeordneten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landtags sowie den Kindern des hauseigenen Kindergartens ihre Segenswünsche überbringen.
Zu Besuch bei Papst Franziskus
Einer der vielen Höhepunkte im Laufe der 20-jährigen Sternsingeraktion war die Begegnung mit Papst Franziskus in Rom im Januar 2019. Zum 15-jährigen Jubiläum unserer Sternsingeraktion schrieben wir einen Brief an das Büro des Papstes im Vatikan mit der Bitte um eine Audienz bei Papst Franziskus. Wir bekamen eine Einladung im Rahmen einer „regulären“ Papstaudienz. Für eine Woche machten sich zehn Schülerinnen und Schüler sowie vier Begleitpersonen auf den Weg nach Rom. Dort bestaunten wir die vielen Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt Italiens: unzählige Kirchen, den Petersdom, das Forum Romanum, die Domitilla Katakombe oder auch das Kolosseum.
Am Tag der Audienz bei Papst Franziskus fuhren wir zum Petersdom und zogen noch vor der Audienzhalle unsere Sternsingergewänder an. Nach der offiziellen Audienz begrüßt der Papst stets die „besonderen“ Gäste, die im vorderen Bereich der Audienzhalle sitzen dürfen – dazu gehörten auch wir. Circa 15 Minuten unterhielt sich Papst Franziskus mit uns – teilweise auf Deutsch, teilweise auf Englisch. Mit unseren Sternsingern Martin, Leon und Lorena tauschte er zum Beispiel Erfahrungen aus der Zeit als Ministrant aus. Zum Abschluss schenkte ihm Lorena unseren Segensstern und eine Kerze. Auf die Frage, „ob wir ein Autogramm bekommen könnten?“, antwortete Papst Franziskus: „Natürlich. Habt ihr einen Zettel und einen Stift?“. Auf einem Papier-Segensstern schrieb Papst Franziskus dann seinen Namen. Er verabschiedete sich mit den Worten: „Vielen Dank für euer tolles Wirken – macht weiter so“.
Die Sternsingeraktion: Jeder einzelne Auftritt ein Höhepunkt
Im Endeffekt ist jedoch jeder einzelne Auftritt der Sternsingergruppe ein Höhepunkt für uns. Die Sternsinger singen immer mit Begeisterung ihre Lieder und verteilen dabei Geschenke an die Zuhörerinnen und Zuhörer. Bei den Geschenken handelt es sich um einen Edelstein (als Symbol dafür, dass jeder einzelne Mensch wertvoll und einzigartig ist), ein Segensstern für das jeweilige Jahr sowie zwei Liedrufe. Diese Liedrufe werden den Zuhörerinnen und Zuhörern mit den entsprechenden Gebärden vorgesungen und dann schließlich gemeinschaftlich gesungen.
Sind unsere Geschenke verteilt, stellen die Schulsternsinger mit Hilfe von Bildern und Wortkarten das Projekt vor, welches in dem jeweiligen Jahr durch die Spenden gefördert werden soll. Unterstützt werden immer Projekte, von denen behinderte Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern profitieren und Hilfe erfahren. In den letzten 20 Jahren konnten wir durch die Spenden Projekte in Papua Neuguinea, Zimbabwe, Ruanda, Bangladesch, Tansania, Kenia, Pakistan, in der Mongolei und vielen weiteren Ländern mit insgesamt mehr als 55.000 Euro unterstützen.
Ist eine jährliche Sternsingeraktion abgeschlossen, bekommt jeder Sternsinger als Dankeschön und Erinnerung ein Dankeschönschreiben für die Teilnahme inklusive Bilder von den diversen Auftritten. Alleine durch mich und die Schülerinnen und Schüler kann unsere Sternsingeraktion aber natürlich nicht gestemmt werden. Sehr viele Kolleginnen und Kollegen aus der Elisabethschule unterstützen diese Aktion und helfen mit, wenn etwas erledigt werden muss, wie zum Beispiel das Waschen der Sternsingergewänder. Dafür an dieser Stelle auch nochmal ein ganz herzliches Dankeschön. Ganz besondere Hilfe bekamen und bekommen die Sternsinger von Frau Juliane Sandrock. Frau Sandrock war viele Jahre als Erzieherin in der Heilpädagogischen Tagesstätte der Lebenshilfe in Aichach tätig und ist seit 14 Jahren im Ruhestand. Seit insgesamt 18 Jahren begleitet sie die Sternsinger bei ihren jährlichen Auftritten.
Zum Abschluss eine kurze Anekdote
Jazib, ein Schüler mit muslimischem Glauben, hat sich viele Jahre als Sternträger an unserer Sternsingeraktion beteiligt. Einer seiner Aussprüche war immer: „Platz da, die Sternsinger kommen!“. Mit diesem Ausspruch, starten wir also nun in das dritte Jahrzehnt unserer Sternsingeraktion. Und im Januar 2025 heißt es dann erneut: Die Sternsinger aus der Elisabethschule Aichach sind wieder unterwegs.
Matthias Hartung
Matthias Hartung, Initiator und Hauptorganisator der Sternsingeraktion, ist Sonderschullehrer an der Elisabethschule Aichach.