Digitaler Wandel„Digitale Schule der Zukunft“ – ich bin ein Fan!
Letzte Woche Mathematikunterricht in der 9. Klasse: Für mich als Lehrer echt großartig, denn am Tablet sollten meine Schüler üben. Das Übungsprogramm, das wir nutzen, erkennt automatisch alle typischen Fehler. Es gibt Rückmeldung und hat Tipps und Unterstützungsangebote parat, wenn der Schüler nicht weiterkommt. Manche müssen Aufgaben häufiger machen, andere können Mitschüler unterstützen. So entstand ein kommunikatives Miteinander, bei dem sehr schnell fast alle in der Klasse ihr Wissen richtig anwenden konnten. Ich als Lehrer kann zwar auch Feedback und Unterstützung geben, aber nicht bei 25 Schülern in nur 45 Minuten. In der nächsten Stunde basteln wir dann im Mathematikunterricht. Da bleibt das Tablet dann wahrscheinlich in der Tasche. Es ist großartig, wenn ich in meiner Klasse die Geräte immer dann einsetzen kann, wenn es beim Lernen hilft und mir manchmal auch die Arbeit erleichtert.
Ein anderes Beispiel: In der IT-Stunde hatten meine Schüler den Auftrag, sich mit dem Thema „Green IT“ zu befassen. Sie bekamen von mir fünf Fragestellungen und eine KI zur Verfügung gestellt. Immer zu dritt sollten sie in den nächsten 60 Minuten eine Präsentation zum Thema und den Fragestellungen erstellen. Auftrag war auch gemeinsam über die BayernCloud Schule (ByCS) an einem Dokument arbeiten. Meine 8. Klasse hatte das alles gelernt: ein Schüler erstellte eine leere Präsentation, teilte die Freigabe mit seinen Mitschülern, man teilte die Aufgaben auf und über Splitscreen und passenden Prompts wurde dann die KI befragt. Texte durften nicht einfach übernommen, sondern mussten mit der Gruppe abgestimmt werden. Die letzten 30 Minuten hatten wir dann echt gute Präsentationen zum Thema: schön bebildert, wenig Text und vor allem viel gelernt. Als Lehrer im Hintergrund habe ich viel unterstützt, aber eigentlich hatten sich meine Schüler alles selbst erarbeitet. Nächste Stunde wird es wieder analoger: Wir diskutieren miteinander über sichere Passwörter.
Mein Unterricht ist auch im Rahmen des digitalen Wandels nie nur digital. Mit der „Digitalen Schule“ soll das Analoge ja auch nicht gecancelt werden. Außerdem funktioniert beides mal gut, mal weniger gut. Zu viel digital braucht mein Unterricht nicht, aber gar nicht wäre auch nicht wirksam. Ich will Mensch sein, meine Kids zum „Mensch sein“ befähigen, ihnen Inhalte des Lehrplans beibringen UND sie auf die Welt von morgen vorbereiten. Dabei schaue ich auch nach Dänemark. Die hatten zuerst zu viel digitalisiert und jetzt rudern sie wieder ein wenig zurück: Die Dänen geben in der Grundschule wieder analoge Bücher aus (die Berichterstattung in Deutschland dazu ist leider oft eine Katastrophe). Mit dem Projekt „Digitale Schule der Zukunft“ haben wir in Bayern jetzt endlich die Möglichkeit, mit einheitlichen Geräten die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler und die Inhalte der Schule für ein besseres Lernen zusammenzubringen – aber eben nicht die ganze Zeit. Denn ich sehe auch das hohe Ablenkungspotential und die oft uneingeschränkte Nutzung der Smartphones im privaten Bereich – mit oft keinen schönen Folgen. Schule und Elternhaus müssen hier mehr zum Vorbild werden: einen sinnvollen Einsatz zeigen und vorleben und das Gerät altersgemäß mitwachsen lassen – bei Bedarf auch weglassen oder einschränken. Dann wird's auch was mit den souveränen Bürgerinnen und Bürgern von morgen.
Sebastian Schmidt
Sebastian Schmidt ist Lehrer an der Inge-Aicher-Scholl Realschule Neu-Ulm – Pfuhl für die Fächer, Mathematik, kath. Religionslehre und IT. Dort ist er u.a. als Systembetreuer, für die Koordination „Digitale Schule der Zukunft“ und im Schulentwicklungsteam tätig. Im Regierungsbezirk Schwaben ist er der informationstechnische Berater für Digitale Bildung (RS). Auf seinem Blog veröffentlicht er seine Erfahrungen rund um das Unterrichten mit digitalen Medien.