Lehrkraft seinKlassenleitung – und jetzt?
Keating! Dieser Beitrag startet mit einer Hommage an den bereits verstorbenen und inspirierenden Schauspieler Robin Williams. Mit seiner Rolle als Lehrer John Keating in dem Film „Club der toten Dichter“ hat er Filmgeschichte geschrieben. Als Lehrer vermittelt er in dem Film nicht nur Wissen, sondern ermutigt seine Schüler auch, selbstständig zu denken, ihre Individualität zu entdecken und ihre Träume zu verfolgen. Als Klassenleitung leitet er seine Schüler nicht nur an, sondern unterstützt sie auch auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben.
Bei dir ist es jetzt so weit und du hast zum ersten Mal eine Klassenleitung übernommen? Keine Panik. In diesem Beitrag erhältst du wertvolle Tipps (was auch sonst, man kennt mich ja inzwischen), wie du mit deinem „Club“ umzugehen hast.
Zunächst einmal geht es aber um die Begriffserklärung: Die Klassenleitung. Bei dem Wort handelt es sich um ein Determinativkompositum bestehend aus „Klasse“ und „Leitung“. Ein Determinativkompositum ist ein zusammengesetztes Wort, bei dem der erste Bestandteil das zweite näher bestimmt oder eingrenzt. Mit dieser trockenen und empirischen Information habe ich meinen Sheldon-Cooper-Kommentar geleistet und Kritiker hinsichtlich meiner Befähigung hoffentlich zum Schweigen gebracht.
Nun würde die „Klasse“ ohne „Leitung“ hilflos in der Luft hängen, deswegen haben wir die „Leitung“, das Grundwort, welches sich um den harten Job kümmert: Sie leitet an, koordiniert und organisiert.
Was macht eine Klassenleitung so besonders?
Die Aufgabenbereiche einer Klassenleitung sind vielzählig. Man übernimmt die Rolle einer Mentorin bzw. eines Mentors, fördert intellektuell und emotional, erledigt zahlreiche administrative Aufgaben und ist zu guter Letzt auch noch eine Fachlehrkraft.
Ganz schön viele Jobs in einem. Hier deswegen meine sechs Tipps, die dir dabei helfen sollen, die Rolle als Klassenleitung gut zu meistern:
- 1 Du bist der Captain, nicht das Rettungsboot: Schaffe klare Regeln und erinnere deine Schülerinnen und Schüler immer wieder daran, dass „Freiheit“ und „Selbstständigkeit“ keine Synonyme für „Chaos“ und „vergessene Bücher“ sind. Du führst an, egal ob pubertierende 14-Jährige vor dir sitzen oder quirlige Fünftklässlerinnen und Fünftklässler. Die Kontrolle und Koordination zu übernehmen ist völlig in Ordnung und bei einer Klassenleitung im ersten Jahr ein Muss.
- 2 Führe Rituale ein, auch für die Coolen und die Großen: Rituale sind der Herzschlag einer jeden guten Klassenleitung. Warum nicht mal montags mit einem „Energizer“ starten oder einem kurzen Wochenrückblick? Deiner Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt.
- 3 Übertrage Verantwortung: Ein Orga-Team für den Wandertag, die Planung eines Standes für das Sommerfest, das morgendliche Ritual oder einfach das Whiteboard wischen – finde kleine Aufgaben, die deinen Schülerinnen und Schülern das Gefühl geben, wichtig zu sein. Beziehe dabei auch immer die Klassensprecher mit ein. Das Beste dabei: Deine Schülerinnen und Schüler lernen ganz nebenbei, dass Freiheit auch mit Verantwortung einherkommt.
- 4 Organisation ist alles – aber keine Angst vor dem Chaos: Führe ein Lehrer-Bullet-Journal (oder einfach einen chaotischen Zettelstapel, den du „Organisation“ nennst). Schreib dir die wichtigsten Termine auf, markiere eher nervige Aufgaben rot und feiere jeden Haken, den du dahinter setzen kannst. Für digitale Fans: Apps wie Asana, Trello oder Notion können Wunder wirken, um den Überblick zu behalten.
- 5 Individueller Umgang mit herausfordernden Schülerinnen und Schülern: Es gibt immer einen Schüler oder eine Schülerin, der oder die gerne „andere Wege“ geht – meist den Weg quer durch deine Nerven. Versuche herauszufinden, was dahintersteckt und rede nicht nur über das jeweilige Klassenmitglied, sondern mit ihm. Übertrage ihm oder ihr außerdem Verantwortung: Der „Aufpasser der Woche“ kann eine einfache Aufgabe sein, die das Gefühl der Selbstwirksamkeit steigern kann.
- 6 Bleib cool bei der Planung und Durchführung von Klassenfahrten und Wandertagen: Hier lautet mein Tipp: Sei vorbereitet, aber nicht perfekt. Plane nicht alles bis ins kleinste Detail, denn irgendetwas geht immer schief. Wirklich. Immer. Ausnahmslos. Vor allem bei Abschlussfahrten. Und auch dann geht die Welt nicht unter.
Und wenn es mal gar nicht läuft? Dann erinnere dich an die wichtigste Lektion aus dem „Club der toten Dichter“: Mach Fehler. Lerne daraus. Und vor allem – sei du selbst. Denn eine gute Klassenleitung ist kein perfekter Mensch, sondern einer, der sich traut, auch mal den unkonventionellen Weg zu gehen. Ob auf dem Pult enthusiastisch stehend oder mit zwei Tassen Kaffee und Augenringen unter dem Pult liegend – deine Schülerinnen und Schüler werden merken, dass du nicht nur ihre Klassenleitung bist, sondern auch ein echter Mensch, der sich um sie kümmert und sich für sie einsetzt. Und das ist manchmal mehr wert als jede perfekte Unterrichtsstunde.
Zum Schluss bleibt mir nur noch eines zu sagen: Captain. Mein Captain!
Aylin Qasim
Aylin Qasim unterrichtet Deutsch und Geschichte an einer Münchner Realschule und berichtet regelmäßig über ihre Eindrücke und Erfahrungen aus dem Lehrerinnenalltag.