ReferendariatIch bin ein Refi – holt mich hier raus! (Part 2)
Du bist an deiner neuen Schule angekommen, hast die wichtigsten Dinge gecheckt und nun steht die erste Unterrichtsstunde an. Keine Panik. Du hast dich bestimmt vorbildlich vorbereitet (siehe auch „Hilfe ich bin ein Refi – holt mich hier raus, Part 1“), jetzt kommt es darauf an, wie du einen emotionalen Draht zu deiner Klasse bekommst.
Deine Unterrichtsstunde – Praxis und Realitäts-Check
Klar könnte ich jetzt mit zahlreichen Kompetenzen und Adjektiven um mich schmeißen, um die Bedeutung des ersten Eindruckes vor der Klasse zu unterstreichen. Aber das weißt du bereits. Deshalb gibt es erstmal Tipps für die Vorstellung in deiner Klasse. Schüttle deine Gedanken um deine Lehrerpersönlichkeit erstmal ab, daran wirst du nämlich in dem Moment, wenn du das erste Mal vor der Klasse stehst, am wenigsten denken. Hier meine Vorstellungstipps für dich:
- 1 Lächeln und Selbstvertrauen: Super basic, ich weiß – aber wichtig. Wenn du dich vorstellst, lächle und versuche selbstbewusst zu wirken. Ein freundliches Lächeln kann den ersten Eindruck erheblich verbessern.
Mein Tipp: Ein mürrisches oder strenges Auftreten macht als Refi in der ersten Stunde wenig Sinn. Deine Lehrerpersönlichkeit sollte für Variationen im Auftreten gefestigt sein und das ist sie noch nicht. Mach dir das Leben vorab nicht schwer! - 2 Interessen und Hobbys: Teile einige deiner Interessen oder Hobbys mit deinen Schülerinnen und Schülern, um Gemeinsamkeiten herauszufinden. Dies kann helfen, Gespräche zu initiieren.
Mein Tipp: Sortiere vorab, welche Infos für dich teilbar sind. Ein privates Detail hilft sehr beim Bonding mit den Schülerinnen und Schülern. Ist nicht immer gerne von allen Kolleginnen und Kollegen gesehen, hat mir aber unglaublich geholfen. - 3 Herkunft und Familie: Du könntest auch ein bisschen über deine Herkunft oder deine Familie erzählen, wenn du dich damit wohlfühlst. Das kann dazu beitragen, dich für die Schülerinnen und Schüler nahbarer zu machen.
Mein Tipp: Erzähl von Interaktionen mit den Geschwistern. Wenn ich von den irrwitzigen Auseinandersetzungen mit meinen Brüdern erzähle, dann kommt hin und wieder ein zustimmendes Nicken im Plenum. - 4 Fragen stellen: Zeige Interesse an deinen Schülerinnen und Schülern, indem du Fragen stellst. Du könntest zum Beispiel fragen, welche Aktivitäten sie gerne in ihrer Freizeit machen oder ob es besondere Traditionen an dieser Schule gibt.
Mein Tipp: Diesen Ratschlag kannst du hervorragend anwenden, wenn sich die Kinder zu Beginn ganz klassisch der Reihe nach vorstellen. Ich frage dann oft gezielt nach, wann das nächste Fußballturnier ist oder wie das Haustier heißt. - 5 Sei authentisch: Bleib du selbst und versuche nicht, jemand anderes zu sein. Authentizität wird in der Regel sehr geschätzt und kann dabei helfen, echte Verbindungen zu knüpfen.
Mein Tipp: Sei ruhig ehrlich und gib zu, dass du nervös bist und es deine erste Stunde ist. Die meisten Schülerinnen und Schüler werden Verständnis dafür haben. - 6 Nutze Kennenlernspiele: Kennenlernspiele eignen sich wirklich sehr gut, um die Klasse kennenzulernen. Sie fördern außerdem das Vertrauen und den Zusammenhalt in der Gruppe. Das Internet und diverse Instagram-Seiten bieten zahlreiche Vorschläge für Kennenlernspiele.
Mein Tipp: Ich präferiere das Spiel „Eine Wahrheit und eine Lüge“. Falls hier jemand mitspielen will: Ich habe als Hobby-Fotografin in einer Diskothek gearbeitet, die von US-amerikanischen Soldaten besucht wurde oder ich war sechs Monate auf dem AIDA-Kreuzfahrtschiff und habe als DJ deutsche Schlagermusik aufgelegt. Welche Aussage ist wahr? Die Auflösung findet ihr am Ende meines Beitrags.
Wie deine erste Unterrichtsstunde letztendlich verläuft, hängt von vielen Faktoren ab, auf die du nicht immer Einfluss haben wirst. Mit einer soliden inhaltlichen und methodischen Vorbereitung und einem emotionalen Zugang zu deinen Schülerinnen und Schülern bist du aber auf den besten Weg, eine kompetente Lehrkraft zu werden.
Wenn der „Holt mich hier raus“ – Moment doch eintrifft.
Deine Unterrichtsstunde ist vielleicht nun doch nicht ganz so gut verlaufen, wie du es dir gewünscht hattest. Es ist dir nicht gelungen, mit den Schülerinnen und Schülern eine Beziehung herzustellen und inhaltlich war die Stunde auch nicht das Gelbe vom Ei. Aber denk daran: Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Ich habe deshalb nur einen Rat (keine Auflistung dieses Mal): Geduld. Habe ganz viel Geduld.
Du wirst noch viele Stunden halten. Manche werden schlecht sein, andere wiederum sehr gut. Aber eine Sache ist garantiert: Du wirst dich verbessern, wenn du dich verbessern willst. Irgendwann stehst du alleine vor der Klasse und die Stunde läuft, weil du die Schülerinnen und Schüler besser kennst, mit der Technik vertraut bist sowie inhaltlich und methodisch sicher unterrichten kannst. Im Idealfall hast du auch Kolleginnen und Kollegen, die dich unterstützen und helfen.
Deswegen: Steck die Niederlagen ein wie ein Champ. Sonst landest du im Dschungelcamp. Und nein, es gibt keine Alternativen. Entweder Lehramt oder Dschungelcamp. Such es dir aus. ;)
Du willst noch die Auflösung zum „Eine Wahrheit und eine Lüge“-Spiel erfahren? Also gut: Die Wahrheit ist, dass ich als Hobby-Fotografin in einer Diskothek gearbeitet habe.
Aylin Qasim
Aylin Qasim unterrichtet Deutsch und Geschichte an einer Münchner Realschule und berichtet regelmäßig über ihre Eindrücke und Erfahrungen aus dem Lehrerinnenalltag.