Politische BildungDie Verfassungsviertelstunde an der Städtischen Rudolf-Diesel-Realschule
Kaum war beschlossen, dass an den bayerischen Schulen die Verfassungsviertelstunde eingeführt werden soll, setzte die Städtische Rudolf-Diesel-Realschule als Vorreiter dieses Vorhaben direkt in die Tat um.
Im Interview erzählte uns Herr Kasparet, Lehrkraft an der Rudolf-Diesel-Realschule und Betreuer der Aktion, mehr über das bemerkenswerte Projekt.
- 1. Um was geht es bei Ihrem Projekt zur Verfassungsviertelstunde?
Unsere „Verfassungsviertelstunde“ ist ein innovatives Bildungsprojekt unserer Städtischen Rudolf-Diesel-Realschule in München, das anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des Grundgesetzes ins Leben gerufen wurde. Es zielt darauf ab, den Schülerinnen und Schülern die Bedeutung und den Wert des Grundgesetzes auf anschauliche und interaktive Weise zu vermitteln. Wir behandeln dabei sowohl zeitlose Themen wie die Grundrechte als auch aktuelle verfassungsrechtliche Fragen, um den Jugendlichen die Relevanz des Grundgesetzes in ihrem Alltag zu verdeutlichen. Die Inhalte des Projekts sind auf unserer Homepage, sowie auf unseren Social-Media-Kanälen und YouTube zu finden.
- 2. Wie ist ihr Projekt „Verfassungsviertelstunde“ entstanden?
Die Idee entstand, als wir in der Frühphase der beschlossenen Verfassungsviertelstunde auf einen Artikel zu diesem Thema stießen, aber noch kein konkretes Konzept fanden, das auf unsere Schule anwendbar war. So entwickelten wir unser eigenes Format, das speziell auf die Bedürfnisse und Interessen der bayerischen Realschule ausgerichtet ist. Wir haben uns dabei auch die Homepage gesichert, um das Projekt online zu präsentieren und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
- 3. Wie haben die Schülerinnen und Schüler auf die Idee reagiert, ein solches Projekt zu starten?
Die Reaktionen waren durchweg positiv. Viele Schülerinnern und Schüler waren gleichermaßen daran interessiert, sich für unsere Demokratie einzusetzen, und hatten gleichzeitig Lust, zu lernen, wie man eigene Social-Media-Kanäle erstellt, mit KI arbeitet und Videos produziert. Beide Aspekte – das Engagement für demokratische Werte und das Erlernen neuer digitaler Fähigkeiten – spielten eine wichtige Rolle bei ihrer Motivation, sich im Projekt zu engagieren.
- 4. Aus welchen Gründen finden Sie die Verfassungsviertelstunde sinnvoll?
Das Grundgesetz bildet die Grundlage unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, und es ist entscheidend, dass junge Menschen dessen Prinzipien verstehen und schätzen lernen. Die Verfassung bietet einen besonders guten Zugang, da sie hohe Vertrauenswerte in der Bevölkerung genießt. Die Verfassungsviertelstunde ermöglicht es, diese Prinzipien in einem stimmigen und für die Schule passenden Konzept flexibel in den Schulalltag zu integrieren und dabei sowohl aktuelle als auch zeitlose Themen zu behandeln.
- 5. Wie nutzen Sie Social-Media-Plattformen für das Projekt?
Viele Jugendliche sind auf Social Media unterwegs und bilden sich dort ihre politische Meinung. Deshalb wollen wir auf diesen Plattformen präsent sein, da Jugendliche dort viel Zeit verbringen. Wir sind auf Facebook und vor allem Instagram aktiv, um die Jugendlichen direkt dort anzusprechen. Dort posten wir Videos, Beiträge und auch Quizfragen, um die Interaktion zu fördern. Zudem nutzen wir YouTube, um unsere Videos möglichst inklusiv darzustellen, beispielsweise durch Untertitel für hörgeschädigte Personen.
- 6. Auf Ihrer Webseite sprechen Sie von dem demokratischen Charakter Ihres Projekts. Können Sie diesen Aspekt mit einem Beispiel veranschaulichen?
Ein zentraler Aspekt des Projekts ist die aktive Beteiligung der Schülerinnen und Schüler durch Abstimmungen und thematische Mitbestimmung. Neben den Themen können die Schülerinnen und Schüler auch Feedback zur Verfassungsstunde hinterlassen und Themen ansprechen, die sich aus der Diskussion zum jeweiligen Grundrecht ergeben haben. Diese Themen werden im Schulforum platziert, und manche Anregungen erfolgreich umgesetzt. Ein Beispiel dafür ist die Anpassung unseres Systems für Lerntutoren, die auf Basis dieses Feedbacks vorgenommen wurde.
- 7. Welche Artikel des Grundgesetzes werden besonders oft thematisiert?
Vor allem natürlich die Grundrechte stehen im Fokus unserer Verfassungsviertelstunde. Besonders dann, wenn sie unmittelbar in den Alltag der Schülerinnen und Schüler hineinwirken. Artikel 5, der die Meinungsfreiheit garantiert, wird häufig thematisiert, da er den Jugendlichen ermöglicht, ihre eigenen Ansichten offen zu äußern und gleichzeitig die Grenzen dieses Rechts zu verstehen. Auch Artikel 3, der die Gleichstellung aller Menschen vor dem Gesetz sichert, spielt eine zentrale Rolle. Hier geht es oft um die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Beseitigung von Diskriminierung, was für die Schülerinnen und Schüler sowohl in der Schule als auch darüber hinaus von großer Bedeutung ist.
- 8. Inwiefern beziehen Sie aktuelle Verfassungsthemen und die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler in das Projekt ein?
Aktuelle Themen wie die mögliche Abschaffung der Schuldenbremse oder ein mögliches AfD-Verbot werden aufgegriffen, um den Bezug zur Gegenwart herzustellen. Insgesamt legen wir großen Wert darauf, Beispiele zu wählen, die direkt die Lebenswelt der Jugendlichen betreffen. Insbesondere bei den Grundrechten achten wir darauf, Szenarien auszuwählen, die für die Schülerinnen und Schüler relevant sind. Zusätzlich verknüpfen wir die Inhalte der Verfassungsviertelstunde auch mit Projekten, die wir an der Schule durchführen, wie zum Beispiel den „Girls und Boys Day“ im Zusammenhang mit Gleichberechtigung, um den Schülerinnen und Schülern einen praktischen Bezug zu den verfassungsrechtlichen Themen zu bieten.
- 9. Welche Rolle spielen Lehrkräfte anderer Klassenstufen in diesem Projekt?
Das Projekt profitiert bereits von der Durchführung in allen Jahrgangsstufen. Insbesondere jetzt in den 6. und 8. Klassen kommt das Fachwissen der Lehrkräfte zum Tragen, um gezielt relevante Themen zu wählen und zu vertiefen. Durch ihre Unterstützung können wir sicherstellen, dass die Verfassungsviertelstunde in den Unterricht integriert und mit den Lernzielen der jeweiligen Stufen und Fächer verknüpft wird.
- 10. Wie reagieren die Eltern der Schülerinnen und Schüler auf das Projekt?
Die Reaktionen der Eltern sind überwiegend positiv. Es haben sich sogar Eltern bereit erklärt, das Projekt aktiv zu unterstützen, indem sie Kontakte für Interviews vermittelt oder Spenden für das Projekt organisiert haben. Die positiven Rückmeldungen zeigen, dass das Projekt auch über die Schule hinaus als wertvoll und wichtig wahrgenommen wird.
- 11. Inwiefern hilft das Projekt den Schülerinnen und Schüler zur Meinungsbildung?
Das Projekt zielt darauf ab, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, eigene Urteile zu bilden und sich aktiv mit gesellschaftlichen und politischen Themen auseinanderzusetzen. Nach den Videoeinheiten stellen wir Diskussionsfragen, die im Klassenverband besprochen werden. Dabei geht es nicht nur darum, das Gelernte zu wiederholen, sondern die Schülerinnen und Schüler dazu zu ermutigen, ihre eigene Meinung zu bilden und diese kritisch zu hinterfragen. Ein zentrales Ziel ist es, die Relevanz des Grundgesetzes für das eigene Leben zu erkennen. Wir behandeln kontroverse Themen, wie z.B. die Schuldenbremse oder die Auslegung der Meinungsfreiheit, immer so, dass die Schülerinnen und Schüler Argumente sowohl für als auch gegen bestimmte Positionen kennenlernen. Das hilft ihnen, differenzierte Meinungen zu entwickeln und die Bedeutung der Verfassung in verschiedenen Kontexten zu verstehen.
- 12. Inwiefern unterstützt Ihr Projekt die politische Bildung an Ihrer Schule?
Das Projekt unterstützt die politische Bildung an unserer Schule in vielfältiger Weise. Wir haben beispielsweise in den 10. Klassen im Fach Politik und Gesellschaft (PuG) zusammengearbeitet, um gezielt Schwerpunkte zu setzen und die Schülerinnen und Schüler aktiv in die Projektentwicklung einzubinden. Darüber hinaus haben wir eine Zusammenarbeit mit dem Bezirksausschuss eingeleitet und Interviews mit Politikern geführt, um den Schülerinnen und Schülern praxisnahe Einblicke in die Politik zu ermöglichen. Langfristig trägt das Projekt zur politischen Bildung bei, indem wir regelmäßig aktuelle Themen aufgreifen – wie zuletzt die Europawahl – und so sicherstellen, dass die Inhalte stets relevant und auf dem neuesten Stand sind und auch in den Klassen angesprochen werden, die noch keinen Politikunterricht haben.
- 13. Welche Erfolge konnten Sie bisher durch das Projekt verbuchen?
Der größte Erfolg war sicherlich, das Projekt von der Idee bis zur Umsetzung zu bringen, was in der Erstellung einer eigenen Website, über 30 Videos und zahlreichen interaktiven Materialien gipfelte. Besonders erfreulich war, dass das Projekt auch über die Grenzen unserer Schule hinaus Anklang fand. Wir wurden eingeladen, das Konzept an anderen Realschulen vorzustellen, was zeigt, dass unsere Arbeit auch in anderen Kontexten geschätzt wird. Zudem haben wir es geschafft, eine engagierte Schülergruppe aufzubauen, die das Projekt kontinuierlich weiterentwickelt und immer wieder neue Ideen einbringt. Ein weiteres Highlight war, dass wir in die engere Auswahl des Münchner Schulpreises kamen.
- 14. Wie planen Sie, das Projekt in Zukunft weiterzuentwickeln?
Wir planen, das Projekt auf die Bedürfnisse der 6. und 8. Klassen zu erweitern und spezielle Reihen zu erstellen, die Themen aus dem Unterricht mit Artikeln aus der Verfassung verknüpfen. So möchten wir die Verfassungsviertelstunde im kommenden Schuljahr noch stärker in den Schulalltag integrieren.
Daniel Kasparet
Daniel Kasparet unterrichtet an der städtischen Rudolf-Diesel-Realschule München die Fächer IT, Politik und Gesellschaft (PUG) sowie Wirtschaftswissenschaften. Seit 2020 engagiert er sich dort für die politische Bildung und entwickelt innovative digitale Konzepte.