Staatliche SchulberatungLernen in den Sommerferien: Ja oder Nein?
Sommer, Sonne, Schwimmbad, Freunde treffen, spät ins Bett gehen und ausschlafen: So stellt man sich die Sommerferien vor. Für die meisten Schülerinnen und Schüler sind sie eine wohlverdiente Auszeit, auf die sie sich freuen – und das gilt auch für die Eltern.
Doch nicht alle Schülerinnen und Schüler können sich entspannt zurücklehnen. Einige stehen am Ende des Schuljahres vor der Herausforderung, die Klasse nur knapp oder vielleicht gar nicht bestanden zu haben. Das bereitet auch den Eltern Sorgen. Sie sehen schlechte Noten, Wissenslücken in bestimmten Fächern und möchten frühzeitig handeln, um die schulische Situation im kommenden Schuljahr zu verbessern.
Der berechtigte Wunsch, sich in den Ferien zu erholen, steht damit im Spannungsfeld zur schulischen Realität. Das wirft die Frage auf, ob die Sommerferien zum Lernen, Üben und Schließen von Wissenslücken genutzt werden sollten.
Die Antwort darauf? Kein „Ja, auf jeden Fall“, sondern eher ein „Es kommt darauf an“.
So können Sie schrittweise vorgehen:
- 1. Schritt: Analyse der aktuellen Situation
Bevor Sie vorschnell entscheiden, dass in den Sommerferien gelernt werden soll, sollten Sie erst herausfinden, wo genau die Probleme liegen. Dabei ist es wichtig, Ihr Kind in diese Überlegungen einzubeziehen. Im besten Fall sprechen Sie noch vor Schuljahresende mit den jeweiligen Lehrkräften der problematischen Fächer und holen deren Einschätzung zu den Ursachen der Lernprobleme ein.
Oft ist es außerdem hilfreich, sich als Familie in einer entspannten Atmosphäre zusammenzusetzen. Gemeinsam kann man dann versuchen, die Gründe für die schulischen Probleme zu ermitteln. Dabei sollten Sie unbedingt darauf achten, sich gegenseitig keine Vorwürfe zu machen.
Häufig liegen die Ursachen in einem der zwei folgenden Bereiche:
Es gibt erhebliche Stofflücken (z. B. bei Englisch-Vokabeln oder in der Grammatik).
Es besteht eine schulische Überforderung.
Stofflücken lassen sich oft einfach darauf zurückführen, dass Kinder und Jugendliche zu wenig gelernt haben. Schriftliche Hausaufgaben werden von ihnen möglicherweise noch erledigt, aber darüber hinausgehendes Üben und mündliches Lernen (z. B. das Wiederholen von Vokabeln) finden nicht besonders intensiv statt. Dies zeigt sich dann häufig in schlechten Noten in Lernfächern wie Geschichte, Geografie oder Ethik / Religion.
Eine schulische Überforderung hingegen zeigt sich oft darin, dass trotz ausreichendem oder sogar intensivem Lernen gute Noten ausbleiben. Manche Kinder und Jugendliche haben Schwierigkeiten mit dem schulischen Lernen; ihre Stärken liegen dann eher in praktischen Bereichen. Auch kann es passieren, dass Kinder aufgrund schlechter Noten eine Prüfungsangst entwickeln, was ihre Leistungen zusätzlich beeinträchtigt. Eine schulische Überforderung können Sie zum Beispiel daran erkennen, dass viel Lernen wenig bringt – der Stoff will einfach nicht im Kopf bleiben.
Es ist natürlich auch möglich, dass Überforderung und Stofflücken gleichzeitig auftreten. Schülerinnen und Schüler, die sich überfordert fühlen, erleben, dass ihr Lernen wenig bewirkt und geben aus Frustration das Lernen zunehmend auf.
- 2 Schritt: Ergreifen von passenden Maßnahmen
Stellen sich Stofflücken als Hauptursache der Schulleistungsprobleme heraus, heißt das Mittel der Wahl: gezieltes Lernen. Bei kleineren Lücken wie fehlenden Vokabeln in ein oder zwei Fächern, kann ein Lernplan ausreichend sein. Diesen erstellen Sie mit Ihrem Kind am besten gemeinsam.
Sind die Lücken jedoch größer und betreffen zum Beispiel grundlegendes Wissen in Mathe, empfiehlt es sich, Nachhilfe durch qualifizierte Fachkräfte in Anspruch zu nehmen. Hier ist eine genaue Analyse der Schwierigkeiten notwendig, um gezielt und fundiert unterstützen zu können. Nachhilfe ist auch dann ratsam, wenn es beim gemeinsamen Lernen zwischen Ihnen und Ihrem Kind immer wieder zu Streit kommt.
Sollten Sie zu dem Schluss kommen, dass das Problem nicht im mangelnden Lernen liegt, sondern in einer Überforderung, ist ein anderes Vorgehen erforderlich. Sind Sie sich unsicher, können Sie auch das Gespräch mit den Lehrkräften Ihres Kindes suchen und gegebenenfalls die Einschätzung der Nachhilfelehrkraft einholen. Bestehen weiterhin Zweifel, kann es sinnvoll sein, sich an eine Beratungslehrkraft oder die Schulpsychologin bzw. den Schulpsychologen zu wenden.
Bestätigt sich die Vermutung einer Überforderung, sollten Sie eventuell über eine Wiederholung der Jahrgangsstufe oder einen Wechsel der Schulart nachdenken. Beratungslehrkräfte können Ihnen hier wertvolle Unterstützung bieten, da sie sich sowohl mit den Möglichkeiten eines Schulwechsels als auch mit den Rahmenbedingungen für das Wiederholen einer Jahrgangsstufe auskennen. Auch bei größeren Stofflücken können sie dabei helfen einzuschätzen, ob ein Nachlernen in den Ferien ausreicht oder ob eine Wiederholung der Jahrgangsstufe eventuell sinnvoller wäre.
Und was heißt das nun in Bezug aufs Lernen in den Sommerferien?
- 1 Erholung kommt zuerst: Kinder und Jugendliche haben sich (wie wir Erwachsene auch) eine Auszeit verdient – von daher ist anzuraten, das Lernen nicht über die ganzen Ferien auszudehnen. Also: Erst einmal zwei oder drei Wochen durchschnaufen und dann langsam mit dem Lernen anfangen.
- 2 Situation analysieren: Schauen Sie sich an, in welchen Fächern und bei welchen Themen Ihr Kind im vergangenen Schuljahr Schwierigkeiten hatte und was die Ursachen dafür sein könnten. Also: Nicht vorschnell entscheiden, dass Ihr Kind in den Sommerferien am Schreibtisch sitzen und lernen soll.
- 3 Zusammen mit Ihrem Kind einen Plan machen: Das Lernen in den Ferien macht nur Sinn, wenn Ihr Kind auch eine gewisse Grundeinsicht hat, dass das Lernen notwendig ist. Wir sprechen hier nicht von Begeisterung, sondern von einer grundsätzlichen Bereitschaft zu lernen. Also: Nicht den Elternwillen aufzwingen, sondern zusammen mit Ihrem Kind einen Lernplan vereinbaren und Abmachungen treffen.
- 4 Nicht übertreiben: Ein bis zwei Stunden Lernen am Tag sind ausreichend – mehr sollten es unter normalen Umständen nicht sein. Das Wochenende oder andere Tage, an denen man zum Ausgleich etwas unternimmt, sollten vom Lernen freigehalten werden. Also: Nicht übertreiben! Trotz des Lernens sollte sich in den Sommerferien auch ein Feriengefühl einstellen.
Ulf Cronenberg
Ulf Cronenberg ist Schulpsychologe an der Staatlichen Schulberatungsstelle für Unterfranken in Würzburg.