Politische BildungWählen ab 16: zu früh oder sinnvoll?

Wir sind Schülerinnen einer 10. Realschulklasse und im Durchschnitt 15 bis 16 Jahre alt. Dieses Jahr dürfen viele von uns zum ersten Mal bei der Europawahl wählen, da das Wahlalter erstmals auf 16 Jahre gesenkt wurde. Aus diesem Grund haben wir uns im Unterricht, aber auch in unserer Freizeit viele Gedanken über unseren ersten Wahlgang gemacht. Mit der Abgabe unserer Stimme haben wir die Möglichkeit, Politik aktiv mitzugestalten. Dies ist eine Aufgabe, die nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte.

© mandu77

Zum ersten Mal dabei

Im Rahmen unseres Unterrichts in Politik und Gesellschaft sowie der Arbeit an unserem Instagram-Kanal @schoolitics, auf dem wir Gleichaltrige aktiv über wichtige politische Themen aufklären möchten, haben wir intensiv über die anstehende Europawahl gesprochen. Natürlich war hierbei auch die Herabsetzung des Wahlalters und unsere Rolle als Erstwählerinnen ein Thema, das wir in diesem Gastbeitrag diskutieren möchten.

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Pro und Contra

Am 9. Juni 2024 ist es soweit: Viele von uns dürfen zum ersten Mal an die Wahlurne treten. Diesem Ereignis stehen wir mit gemischten Gefühlen gegenüber. Positiv sehen wir die Möglichkeit, dass wir nun die Chance haben, unsere eigene Zukunft aktiv mitzugestalten. Die jüngere Generation sollte also auch wählen, um ihre eigene Zukunft mitgestalten zu können. Durch die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre wird bei den Wahlen außerdem ein breiteres Bild der Gesellschaft abgebildet, und die politischen Meinungen der verschiedenen Generationen werden breiter vertreten. Da die junge Generation tendenziell andere politische Sichtweisen hat als die ältere, könnten die Wahlergebnisse somit durchaus eine neue Richtung erhalten. 
Daneben könnte sich die Herabsetzung des Wahlalters positiv auf die Wahlbeteiligung auswirken, da die Wahrscheinlichkeit, dass die jungen Erstwählerinnen und -wähler auch wirklich zur Wahl gehen, höher ist. Schließlich ist die erste Wahl ein besonderes Erlebnis und regt dazu an, die eigene Stimme abzugeben. 

Ein weiterer positiver Aspekt der Wahlberechtigung ab 16 Jahren könnte ein daraus resultierendes gesteigertes Verantwortungsbewusstsein und Interesse an Politik sein. Die Teilnahme an einer Wahl erfordert auch die Auseinandersetzung mit den zur Wahl stehenden Parteien und deren politischen Zielen. Dies muss aber nicht automatisch der Fall sein. Einigen Teenagern fehlt es in diesem Alter noch an der nötigen Reife und sie könnten zudem den Ernst der Lage verkennen. Auch sehen wir ein großes Problem bei der Wahl ab 16 in der mangelnden Aufklärung der jungen Erstwählerinnen und Erstwähler. Bei uns an der Realschule haben wir in der 10. Klasse zwei Stunden pro Woche Politikunterricht und müssen hierbei einen Lehrplan erfüllen, der die kompletten demokratischen Strukturen in Deutschland sowie der EU abdeckt und sich zudem noch mit Wirtschaftspolitik auseinandersetzt. Konkret bleibt hier wenig Zeit für individuelle Diskussionen oder eine tiefgehende Auseinandersetzung mit Politik. In unseren Augen müsste das Fach Politik und Gesellschaft an der Realschule bereits viel früher eingeführt werden, damit ein tiefergehendes Verständnis für Politik entwickelt werden kann. Dadurch würde auch ein Zeitrahmen für praktische Projekte, wie Rollen- oder Planspiele im Unterricht geschaffen werden, mit welchen wir in die Rolle von politischen Akteurinnen und Akteuren schlüpfen und eigene praktische Erfahrungen sammeln könnten.

Fake News und Social Media als Risikofaktoren

Somit ist die aus unserer Sicht geringe politische Bildung der Schülerinnen und Schüler an der Realschule ein deutliches Argument gegen eine Wahl ab 16 Jahren. Es fehlt dieser Zielgruppe aktuell noch an mehr Aufklärung, die für eine überlegte Stimmabgabe nötig ist und führt zu einer Überforderung. Außerdem gibt es Jugendliche, die sich stark von ihrem Umfeld sowie von Social Media beeinflussen lassen. Für diese Teenager ist es schwer, eine eigene Meinung zu bilden. Insbesondere Social Media und die rasche Verbreitung von Fake News sehen wir als großes Problem an. Durch das Oberverwaltungsgericht Münster wurde die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall juristisch bestätigt. Trotzdem würden gemäß der aktuellen Trendstudie 22% der unter 30-Jährigen die AfD wählen. Das macht sie zur beliebtesten Partei dieser Altersgruppe. Auf TikTok folgen fast 420.000 Menschen der AfD-Fraktion im Bundestag (zum Vergleich: Der offizielle Account der CDU auf TikTok hat knapp 6.000 Follower, der Account der Bundestagsfraktion der SPD knapp 130.000 Follower und der Partei Bündnis 90/Die Grünen etwas mehr als 11.000 Follower). Laut einer Umfrage von Statista aus dem Jahr 2024 nutzen 2021/2022 73% der 16- bis 19-Jährigen TikTok. Das heißt, auch rechtsextreme Inhalte werden dieser Zielgruppe ungefiltert und unkommentiert regelmäßig ausgespielt und oft konsumiert, ohne diese kritisch zu hinterfragen.

Unser Fazit zur Wahl ab 16

Die noch zu geringe Aufklärung sowie die Gefahren durch Social Media und Fake News stellen für uns ein starkes Argument gegen Wahlen ab 16 Jahren dar. Zwar sind ein größeres politisches Interesse, eine größere politische Teilhabe dieser Generation sowie die Möglichkeit einer höheren Wahlbeteiligung gegeben, jedoch gehen diese auch mit Unsicherheit beim Wahlgang einher. Wir sehen durchaus die Chancen einer Wahl ab 16 Jahren, doch hierfür müsste die politische Bildung im bayerischen Lehrplan für Realschulen früher als in der 10. Klasse verankert sein und stärker ausgebaut werden.

@schoolitics

@schoolitics

„Unterricht mal anders“ lautet das Motto der @schoolitics-Klasse an der Mädchenrealschule Volkach. Statt klassischem Politikunterricht werden hier Posts und Reels für Social Media erstellt und politische Gäste interviewt. Die Schülerinnen werden zu aktiven Akteurinnen der politischen Bildung und bringen Gleichaltrigen spannende politische Themen näher. Das Projekt zielt darauf ab, die Medienkompetenz der Schülerinnen im Umgang mit Instagram und TikTok zu stärken und ihnen die Inhalte des Fachs „Politik und Gesellschaft“ zu vermitteln. Im April 2024 wurde die aktuelle Projektklasse 10a in der Kategorie „Innovative Projekte“ mit dem Unterfränkischen Realschulpreis ausgezeichnet.

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