LehrergesundheitVom Stress in die Stille: Achtsamkeit im Lehrerberuf leben
Mein Bruder hat mir letztens eine neue Serie auf Netflix empfohlen: „Achtsam morden“. Beitrag Ende. Einen guten Rutsch.
Spaaaß.
Oder nicht?
Doch – Spaß.
Wieso genau diese Serie? Nicht wegen der rechtlich fragwürdigen Handlungen des Protagonisten, sondern wegen des Wortes Achtsamkeit. Es begegnet mir seitdem ständig. Ich war bis zu diesem Zeitpunkt garantiert nicht achtsam, auch wenn ich hier seit Jahren mit Ratschlägen um mich werfe, die Achtsamkeit implizieren. Aber das bloße Aufzählen reicht nicht. Die Ratschläge müssen gelebt werden. Hier und da. Sobald es geht.
Ich weiß gar nicht, wie oft ich hier bereits einen Dezember-Beitrag verfasst habe, aber ich wage zu behaupten, dass es irgendwie immer darum ging, wie ausgelaugt und gestresst man als Lehrkraft in die Ferien startet. Ich persönlich finde den Dezember die anstrengendste Zeit im ganzen Jahr. Und obwohl ich das weiß, überfällt mich dieser eigentlich so schöne Monat jedes Mal aufs Neue.
Als eine Person, die sowohl beruflich als auch privat viel reflektiert, habe ich mich mit den Gründen auseinandergesetzt. Ein wichtiger Grund: Wir leisten sehr viel. Es ist so simpel, wie es klingt. Ich erspare den Lesenden eine Aufzählung. Aber die Liste, die dir gerade im Kopf schwirrt, genau die könnte hier stehen und jede und jeder würde zustimmend nicken. Besonders gegen Ende das Jahres wird nochmal viel von uns Lehrkräften gefordert und wenn dann zu diesem Zeitpunkt bereits die ganze Energie aufgebraucht ist, kein Wunder, dass wir ausgelaugt in die Ferien starten.
Achtsamkeit, wie sie in der humorvollen Serie „Achtsam morden“ thematisiert wird, kann auch im stressigen Lehreralltag hilfreich sein (aber ohne das Morden natürlich – wollte das nur nochmal klarstellen) und, wenn man sie regelmäßig praktiziert, dabei helfen, dass wir zum Ende des Jahres noch etwas Energie übrig haben und die Feiertage genießen können.
Hier ein paar praktische Tipps, wie Lehrkräfte mehr Achtsamkeit in ihren Alltag integrieren können (aber wie gesagt, man muss sie auch anwenden, damit sie funktionieren):
- 1 Gönn dir echte Pausen: Nutze deine Pausen bewusst, um abzuschalten. Auch wenn es nur fünf Minuten sind – atme durch, genieße einen Tee oder schau einfach aus dem Fenster. Lass die To-do-Liste ruhen.
- 2 Setze innere „Stopps“: Wenn du merkst, dass der Stress überhandnimmt, halte kurz inne. Atme tief durch, zähle bis drei und frage dich: „Was ist jetzt wirklich wichtig?“ Dieser Moment der Reflexion hilft dir, achtsam zu reagieren, statt impulsiv zu handeln.
- 3 Unterrichte achtsamer: Sei ganz im Moment, wenn du mit deinen Schülerinnen und Schülern arbeitest. Hör ihnen wirklich zu, halte Blickkontakt und lass dich nicht von Nebensächlichkeiten ablenken. Du wirst merken, wie die Verbindung zu deiner Klasse stärker wird.
- 4 Beobachte deine Gedanken: Wenn dich negative Gedanken überfallen („Ich bin nicht gut genug“ oder „Ich habe nicht genug geschafft“), nimm sie wahr, ohne dich von ihnen überwältigen zu lassen. Stell dir vor, sie ziehen wie Wolken am Himmel vorüber.
- 5 Bau Mini-Achtsamkeitsübungen in deinen Tag ein:
• Atme zwischen zwei Unterrichtsstunden bewusst 10-mal tief ein und aus.
• Konzentriere dich beim Gehen auf deine Schritte und den Boden unter deinen Füßen.
• Überlege am Ende des Tages, was heute gut gelaufen ist und schreibe es auf. - 6 Sag öfter Nein: Du musst nicht jede Aufgabe übernehmen. Überlege dir, was wirklich wichtig ist, und setze klare Prioritäten. Respektiere deine eigenen Grenzen – sie machen dich langfristig leistungsfähiger.
- 7 Akzeptiere deine Gefühle: Es ist okay, dich mal überfordert oder gestresst zu fühlen. Kämpfe nicht dagegen an, sondern nimm diese Gefühle an. Achtsamkeit heißt nicht, immer entspannt zu sein, sondern dir selbst mit Verständnis zu begegnen.
Unterstützungsangebote zum Thema „Achtsamkeit und Schule“
Achtsamkeit wird zunehmend als wichtiger Schlüssel zur Stressbewältigung und persönlichen Resilienz anerkannt – auch im Lehrerberuf.
Stets aktuelle Ausschreibungen für Fortbildungsangebote zum Thema Achtsamkeit und Selbstfürsorge findest du in FIBS bzw. zentral auf der Themenseite der ALP. Die Angebote reichen von Grundlagenkursen, die Achtsamkeitsübungen und Meditationstechniken vermitteln, bis hin zu spezialisierten Workshops, etwa zur Förderung achtsamer Kommunikation im Kollegium oder zum Umgang mit belastenden Situationen im Klassenzimmer.
Gleichzeitig steht dir an deiner Staatlichen Schulberatungsstelle die/der Regionalbeauftragte für Lehrergesundheit zur Verfügung: Sie/er berät dich über mögliche Unterstützung, kann in deiner Nähe eine Ansprechperson vermitteln und/oder für dich ein passgenaues Angebot entwickeln.
Kleine Schritte machen den Unterschied. Du musst nicht alles auf einmal umsetzen. Fang mit einem oder zwei Tipps an, die zu dir und deinem Alltag passen. Achtsamkeit ist kein Wettbewerb – es geht darum, dir selbst mehr Raum und Ruhe zu geben. In diesem Sinne wünsche ich euch einen guten Rutsch und einen achtsamen Start in das neue Jahr.
Aylin Qasim
Aylin Qasim unterrichtet Deutsch und Geschichte an einer Münchner Realschule und berichtet regelmäßig über ihre Eindrücke und Erfahrungen aus dem Lehrerinnenalltag.